Aktuelles Urteil des BGH: Beschlusszwang 2.0

(Beseitigungs-/Rückbauverfahren)

Aktuelles Urteil des BGH: Beschlusszwang 2.0

(03/2025) Herzlich danken wir Herrn RA Brandt für die Urteilsbesprechung zu o.g. BGH-Urteil und das wir diese unseren Mitgliedern zur Verfügung stellen dürfen!

Aktuelles Urteil des BGH vom 21.03.2025 = V ZR 1/24

Beschlusszwang 2.0 (Beseitigungs-/Rückbauverfahren)

Der BGH hat seine Rechtsprechung zum sog. „Beschlusszwang“ weiterentwickelt und nunmehr auch auf Ansprüche auf Beseitigung und Rückbau angewandt. Die erste Entscheidung vom 17.03.2023 (V ZR 140/22) war ein Unterlassungsverfahren gegen einen Miteigentümer, der „gerade beim Bauen war“. Er musste seine Arbeiten einstellen; weil er keinen Gestattungsbeschluss hatte. 

Im neuen Verfahren geht es um den Rückbau bereits durchgeführter baulicher Veränderungen ohne Gestattungsbeschluss. Diese Konstellation hatte der BGH im Vorverfahren noch ausdrücklich offengelassen, weil es darauf nicht ankam. Hierzu hat er jetzt folgende Feststellungen getroffen: 

1. Auch bei vollendeten baulichen Veränderungen gilt der Grundsatz des Beschlusszwangs. Also: Wer keinen Gestattungsbeschluss hat, muss grundsätzlich zurückbauen. 

2. Ob der Beklagte im Rückbauverfahren einwenden kann, dass er einen Anspruch auf Gestattung hat (etwa weil kein anderer Eigentümer beeinträchtigt wird), hängt davon ab, wann die bauliche Veränderung fertiggestellt/beendet wurde. 

- Fällt die Fertigstellung/Beendigung noch in den Zeitraum des „alten Rechts“ bis zum 30.11.2020, kann sich der Rückbauverpflichtete im Rückbauverfahren mit der Einwendung verteidigen, er habe einen Gestattungsanspruch, weil niemand beeinträchtigt werde. Das ist dann grundsätzlich im Rückbauverfahren zu berücksichtigen. 

- Fällt die bauliche Veränderung in den Zeitraum des neuen Rechts ab 01.12.2020, ist der Rückbauverpflichtete mit diesem Einwand ausgeschlossen. Insoweit gelten die gleichen Gesichtspunkte wie im Vorverfahren auf Unterlassung („keine Verteidigung mit einem Gestattungsanspruch“), weil nach Auffassung des BGH der Eigentümer, der ohne Gestattung schon fertig gebaut hat, nicht besser stehen kann als derjenige, der noch beim Bauen ist. 

- Handelt es sich um mehrere bauliche Veränderungen im Rahmen einer Gesamtumbaumaßnahme (wie im jetzigen BGH-Fall: Wanddurchbruch Oktober 2020, Fassadendurchbohrung Juli 2021), werden die Maßnahmen einzeln beurteilt, auch wenn sie einem Gesamtumbauzweck dienen. 

3. Allerdings hat der auf Rückbau in Anspruch genommene Beklagte auch nach neuem Recht die Möglichkeit, im Rückbauverfahren Widerklage gegen die Gemeinschaft auf Gestattung im Rahmen eines Beschlussersetzungsantrages zu erheben. In diesem Falle muss sich das erstinstanzliche Gericht im Rückbauverfahren dann doch mit dem möglichen Gestattungsanspruch des Klägers befassen. Erhebt der Beklagte die Widerklage erst in der Berufungsinstanz gegen das Beseitigungsurteil, ist das zu spät. 

4. Da die Umbauarbeiten im jetzigen BGH-Fall teilweise vom Mieter/Pächter des auf Rückbau verklagten Eigentümers vorgenommen worden sind, hat der BGH auch entschieden, unter welchen Bedingungen sich der Eigentümer die nicht gestatteten Umbauarbeiten seines Mieters/Pächters zurechnen lassen muss: Den vermietenden Wohnungseigentümer trifft eine Haftung als mittelbarer Handlungsstörer für die vom Mieter ohne Gestattung vorgenommenen baulichen Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum, wenn er: 

  • Die baulichen Veränderungen erlaubt hat;
  • mit den baulichen Veränderungen rechnen musste und den Mieter nicht auf die Notwendigkeit einer Gestattung hingewiesen hat;
  • es unterlässt/unterlassen hat, gegen den Mieter einzuschreiten, nachdem er Kenntnis von der Vornahme erlangt hat. 

In der Regel wird eine dieser Voraussetzungen vorliegen. Ist das ausnahmsweise nicht der Fall, bleibt der Gemeinschaft nur der Anspruch auf Duldung des Rückbaus gegen den aktuellen Eigentümer auf Kosten der Gemeinschaft. 

5. Noch nicht ausdrücklich entschieden aber wohl aus der Argumentation des BGH ableitbar ist die Frage, ob das Obige auch für den Duldungsanspruch gegen den aktuellen Eigentümer auf Rückbau durch die Gemeinschaft auf deren Kosten gilt, wenn der Rückbauanspruch verjährt ist (drei Jahre ab Ende des Jahres der Kenntnis) und/oder die Baumaßnahme von dem Rechtsvorgänger des aktuellen Eigentümers vorgenommen wurde. Hier kann meines Erachtens nichts anderes gelten. Auch hier wird es für die Einwendung eines Gestattungsanspruchs auf den Zeitpunkt der Maßnahme in Bezug auf die Gesetzesänderung zum 01.12.2020 ankommen: 

Bei Duldungsverfahren wegen alter Veränderungen ist also der Gestattungsanspruch einredeweise möglich; bei neuen nicht. 

 

Thomas Brandt

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht